28 September 2006

sehnsucht nach verrücktheit


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Originally uploaded by sarahgfeller.
"es gibt wohl grosse teile in mir, die sehnsucht danach haben, mal nicht mehr mit der wirklichkeit klarzukommen."
iris radisch, literaturkritikerin in einem interview von "das magazin" 32, 2006

"so wie die verrücktheit in einem höheren sinn der anfang aller weisheit ist, so ist schizophrenie der anfang aller kunst, aller phantasie."
hermann hesse in "der steppenwolf"

zwei zitate die mich unglaublich berühren.
schon seit kinderzeiten huscht in meinem kopf von zeit zu zeit ganz sanft und leise ein gedanke vorbei, den ich kaum auszusprechen wage: verrückt (so wie es von der gesellschaft als negativ definiert ist) zu sein; nicht mehr mit der wirklichkeit klar zu kommen, wie mir iris radisch aus dem herzen spricht.
absurd.
ich glaube zu ahnen, dass in dieser verrücktheit verborgene fähigkeiten warten, die ich nur in dem zustand, der von aussen als "unzurechnungsfähig" beurteilt würde, auszudrücken vermag.
hört man in der verrücktheit bewusster auf sich selber? ist man authentischer? ich glaube, man spielt anderen und vor allem auch sich selber nichts vor...

vielleicht kommen diese worte der einen oder dem anderen merkwürdig vor, vielleicht gibt es da draussen in der unglaublichen welt menschen, die auch ab und zu sehnsucht nach verrücktheit haben?

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Liebe Sarita,

Sehr gut kann ich deinen Wunsch nach Verrücktheit nachvollziehen. Es stimmt, die Schizophrenie ist mit einiger Distanz betrachtet doch ganz interessant. Deshalb machen sich einige Künstler (einige Punkrockmusiker) oder auch privat Personen zu nutzen und betiteln sich mit ihrem Namen.

Doch was ist Schizo eigentlich und wie fühlt man sich, wenn man es hat?

Als Sohn und häufiger Gesprächspartner einer schizophrenen Mutter kann ich dir versichern, dass deine Wünsche und Erwartungen, die du an die Krankheit stellst, nichts mit der Realität gemein haben.

Man ist nicht authentischer, man ist überhaupt nicht viel mehr sich selbst! Im Gegenteil. Bei der Schizo übernimmt eine "höhere" (vielleicht auch tiefere) Macht die Kontrolle über dein Denken. Meine Mutter hat den Zustand immer beschrieben, als sei man vom Kontrollpult des eigenen Ichs zurückgetretten und liege nun leicht dösend auf dem Sofa, während jemand anderes die Kontrolle hat. Mit anderen Worten, man bekommt noch gerade so mit, das man die Kontrolle nicht mehr hat.

Dafür wird man ständig geplagt von verschiedensten Ängsten. Man erkennt den Teufel in bisher bekannten Personen, sieht auf der Strasse Menschen, die einem einen Dolch in den Hals stecken Wollen und man erkennt auch in geschlossenen Räumen Wölfe, die hinter deinen Kindern her sind.

Glaube mir, die Gedankenkonstrukte dieser Personen sind aus gesunden Köpfen entstanden.

Lieber lebe ich meine kleine Verrücktheit so aus, dass ich mich irgendwie von der Gesellschaft abhebe, wie z.B. durch meine Frisur oder meinem Verhalten. Mir reicht das an Verrücktheit.

Gruäss Dävu

29/9/06 12:57  
Blogger sarita said...

@daweed

in keiner weise möchte ich die krankheit herunterspielen, oder jemanden angreifen.
auch ich kenne viele beispiele von schizophrenen menschen.
ich bin nicht eifersüchtig auf diese!

vielleicht ist es einfach auch nur die sehnsucht nach dem unbekannten, die verrücktheit für mich so attraktiv macht. und vielleicht ist es auch das gefühl, dass der zustand des "nicht-verstanden-werdens" legitimiert wäre.

aber du hast schon recht: besser ist es wahrscheinlich, man lebt viele kleine verrücktheiten vorzu aus um nicht gefahr zu laufen, irgendwann wirklich verrückt zu werden...

ps. bedeutet "verrückt" eigentlich verrückt im sinne von "verschoben" (so wie ein stuhl verrückt sein kann)? verschoben von der wirklichkeit?

30/9/06 21:14  

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